Der zweite Anfang - aus Notwendigkeit


Timaios


Zweiter Anfang, der keinen Ursprung darstellt, sondern die im Grund aus Vernunft vorausgesetzte Materie des Körperlichen erklärt in ihrer Ordnungsfähigkeit und Ordnungsbedürftigkeit.

  • sehr deutlich wird in 47e – 48e erklärt, daß es sich um einen zweiten Anfang handelt, der nicht unmittelbar abhängig ist vom ersten: es ist zugleich der Anfang der Untersuchung, so daß Weltganzes (als zeitlich gewordenes Gebilde) von der Untersuchung nicht streng geschieden ist, es kein Subjekt-Objekt-Verhältnis besteht, vielmehr entsteht das Ganze von Welt nicht ohne ihre Erkenntnis in zweifachem Anfang als Ursprung durch Vernunft und Erklärung von Elementen.
  • Von diesen Elementen ist im ersten Anfang (durch Vernunft in Güte) nur das Feuer für die Sterne des Himmels gebraucht (lichtgebend) – dem Seelenvermögen der Erkenntnis (in Gesicht und Einsicht) korrespondierend

Im Ursprung aus Vernunft als durch Güte bestimmt wird die Seele in Analogie zum Himmel dem Körperlichen zugehörig und es leitend dargestellt,

wie der Himmel die Erde (als Kugel) umschließt

als durch Ideen gleich den Sternen geführt, führt die Seele das Lebewesen, das nur in Einheit von Seele und Körper lebendig sein kann


48d Auskunft über den Status der Rede als „wahrscheinlicher“: das eikos logos kann man gemäß dem gewöhnlichen Gebrauch zwar als wahrscheinliche Rede übersetzen, aber hier ist mit den ausführlichen Bildkompositionen sicher davon auszugehen, daß das bildhafte als wörtliche Bedeutung von eikos je mit zum Ausdruck gebracht werden soll: auch erschließt sich erst mit der Deutung als Bildliche Rede das Verhältnis zum in seinem Ursprünglichen Werden gemäß dem Immer Seienden (als Zeit und in der Zeit, also als zeitliche Seiendes = bewegtes) Gebildete als nach dem ursprünglichen Güte sich bildenden Schönsten (Kosmos) sich bildend betätigende Rede selbst bildende, das heißt, sie ist in ihrer Bildgebung selbst Nachbildend das, was erst durch sie ins Bild kommen kann.

Wie vom Sophistes her bewußt, ist aber das Bild ein Sein von Nichtseiendem und so fungiert es als Stillstellung von Bewegtem und muß selbst in Bewegung geraten, wie es die Nötigung zur Fortgehenden Vereinigung durch den doppelten Anfang anzeigt.

Die Timaios-Rede ist nicht frei von Schein – bezieht sich aber auf jene Erkenntnisverknüpfung, in der die Einsicht in das Gute statt nur einer „theoretischen“ Schau je mit der Werktätigkeit eines Bilderns vereint ist, der der Seele den Vorrang gibt in dem, was als Lebenwesen nicht ohne Einheit von Körper und Seele sein kann. In der Seele aber als das Leitende die Vernunft, die aber dazu nicht ohne Überredung kommen kann: so bedeutet der eikos logos und der eikos mythos (die Timaiosrede als bildliche und bildbildende Erzählung) die Einsicht in das Gute als zur einer Überredungsfigur gehörig, darin die Seele sich selbst beredet, an das ‚als ob‘ zu glauben, weil ohne dieses Glaubwürdige, in dem die Unterscheidung des Besseren vom Schlechtern die Glaubwürdigkeit unter Teilhabe der Vernunft wie der Bildkraft des Lesers „begründet“ = hervorruft die Einstimmung im vernünftigen Lebewesen nicht erreicht werden kann (die Einstimmung als Überwindung der Verkehrung, der Desorientierung – oben unten – links und rechts = ein Bild der Nichtübereinstimmung in der Orientierung zwischen Menschen, wenn sie das Wichtigere für das Unwichtigere halten).