Idee des Rechts im Grundverhältnis der Verfassung


Zur Idee des Rechts im Grundverhältnis der Verfassung einer Rechtsordnung

Juni 2018


Hans Kelsen gibt für die Grundnorm – z.B. in der Allgemeinen Staatslehre – einerseits die Verfassung an (Carl Schmitt nimmt dies in der Auseinandersetzung mit Kelsen auf), andererseits ist die Grundnorm der Verfassung nochmals übergeordnet, nicht zuletzt, weil es ja viele verschiedene Staatsverfassungen gibt. In solcher Vorordnung liße sich dann aber ein letzter Geltungsgrund, der der Rechtfertigung einer gegebenen Rechtordnung dienen kann, nicht mehr bestimmen, wenn er wieder nur eine „Norm“ sein müsste, nun nicht mehr setzbar, sondern als keiner Begründung mehr bedürftig als Geltungsgrund angenommen. Ohne erkennbare Bestimmtheit – also ohne begriffliche Erkenntnis des Grundes – aber, verliert er seine alleinige Funktion als Geltungsgrund von Recht überhaupt, kann nicht als maßgeblicher Bestimmungsgrund fungieren, von dem her eine Entscheidung über die Rechtheit oder Güte einer Verfassung dann erstt möglich wäre. Denn ein Geltungsgrund, der kein Beurteilungsgrund ist, kann kein Rechtsgrund sein. In einer rein positiven Legitimation ohne Unterscheidungskraft könnte ein nur legitimationsfunktionell angenommen, aber begrifflich nicht erkennbare „Norm“ überhaupt nichts legitimieren. Die nur für diese Funktion angenommene „Grundnorm“ kann den ihr zugedachten Status als Grund der Rechtfertigung nicht halten.

Es wird darin erkennbar, daß ein rechtfertigender Grund Vernunft verlangt, ihn als Grund auf das Begründete in einer maßgeblichen Beurteilung zu beziehen und mit Einsicht in Geltung zu halten: daß die zur rechtfertigende Rechtsordnung dem Recht (der Idee des Rechts) wirklich entspricht und als gerechtfertigtes Recht gelten kann. Die Idee des Rechts muß sich als Grund und Maß darstellen und in dieser auch zur Geltung  in dem bringen, was maßgeblich gegründet wird: das Sein von Recht in den Rechtsverhältnissen. Der Vernunftgrund kann darum nicht anders denn als Grundgesetzgebung einer Rechtsordnung sich darstellen, das zugleich den Begriffs des Rechts in einer beurteilungsfähigen Maßgabe darstellt und als in Notwendigkeit anzunehmen angenommen geltend macht. Daraus ergibt sich die Sprachgestalt des Unantastbaren, des Unverletzlichen in den Grundsätzen, die den maßgeblichen Grund eines unbedingten Sollens nur in der Allgemeingeltung seiner Erfüllung angeben kann. (Darin ist das sakrale Moment, auf das Hasso Hofmann hinweist, im Ursprung des Rechts noch anwesend und teilt sich der Achtungsempfindung im Gewahren der Idee mit.)  

Die Angabe einer ein Rechtssytem rechtfertigenden „Grundnorm“ müßte Grund und Maß des Rechts als System grundlegender Gesetze zu erkennen geben, die eine sich verpflichtende Ordnung aufrichten und als eine  die Rechtsidee darstellende Verfassungsordnung sich ausgestaltete, in der die Idee des Rechts in der Grundsatzbestimmung ihres Begriffs das Handeln in diese Ordnung leitet; das ist in der verfassungsgebenden Verantwortung zur Willensbestimmung des Souveräns, einen Rechtsstaat zu gründen, indem er sich eine Verfassung gibt, nur unter der einzigen Bedingung möglich, daß die „Realdefinition“ des Rechts selbst, also die Bestimmung des Begriffs seiner Idee durch die Angabe der zureichenden Bedingungen seiner Möglichkeit als Gefüge von Grundsätzen sich darstellt, die als Rechtspflichten unmittelbar für die Vernunft allgemein einsichtig werden und praktisch geltend werden können. Statt eines Naturrechts ergibt sich als maßgrundgeblich für die Rechtsbeurteilung im Geltendmachen von Grundgesetzen und ihrer allgemeinen Anerkennung eine Erkenntnis von Bedingungen des Rechtsbegriffs in der realen Möglichkeit einer zusammenstimmungsfähigen Rechtsordnung, in der die Vernunft in den Bedingungen ihrer praktischen Vermögen als begründende, anerkennende, achtende und so an den Verpflichtungen aus der Rechtfertigung von Recht grundlegend beteiligte an der Grundgesetzgebung in Verantwortung für Recht und Freiheit teilhat und als praktische Vernunft in ihren Einheitsbedingungen zur Ermöglichung der Einstimmung der Anerkennung von Recht durch Gesetzgebung allgemeingültig in ihrem Begriff bestimmt und in gemeinschaftlichem Selbstbewußtsein eines begründeten Rechts als Begriff verbindlich gebraucht sein kann.

Gegenüber einer Nominaldefinition, die lediglich Merkmale des Begriffs aufzählt, ist die Realdefinition auf die reale Möglichkeit des Seins des im Begriff Bedeuteten (der Sache selbst) bezogen. Unter der Voraussetzung einer Normenhierachie von Rechtssetzungen war es nicht möglich, einen solchen Anspruch überhaupt zu formulieren. Die positivistische Orientierung der „Reinen Rechtslehre“ Kelsens verstellte die Einsicht in die Bedeutung des Maßgeblichen von Gründen in der Verpflichtungsgestalt von Grundgesetzen, durch deren Anerkennung sich eine Rechtsordnung, die Ordnung einer Rechtsgemeinschaft als das Recht und seine Ordnungswahrung selbst verantwortende konstituiert. Erst darin ist Selbstbestimmung als Autonomie, also als Selbstgesetzgebung möglich, erfordert aber jene begrifflichen Differenzierungen und Erschließungen von Zusammenhängen, die wir für die Willensbindung aus Zustimmung und die Bedingungen der Legitimität von Souveränitätshandlungen (in Ausübung von Rechtsbefugnissen zur Gesetzgebung) dargestellt haben.