Möglichkeit und Vermögen


1.7

Der Gebrauch des Begriffs des Vermögens erfährt mit seinem Ort im System als in Maß und Einheit mit der Idee vereint seine Rechtfertigung. Vermögen ist nicht nur die Fähigkeit (1)  zu einem Können, sondern bedeutet in seinem Begriff dessen vollendete Ausübung als notwendig möglich. Vermögen, in seinem Vermochtsein durch seinen Begriff bedeutet, verweist auf es selbst als selbst: auf seine Idee. Wir haben es in Begriffen von Bedingungen der Vermögen darum auch nicht mit Bedingungen nur von Möglichkeit zu tun, die ja zu den Modalkategorien des Verstandes gehört: wir nehmen im Ausgang das Vermögen als solches in seinem Begriff auf und erkennen die Bedingungen seines es selbst sein Könnens nur, wenn wir es als solches zu sein sich gemäß setzten. (2)  So erscheint das Vermögen am Ort seiner Idee in der Bedeutung des Seins seiner selbst gesetzt und das System der Orte der Ideen entfaltet nun seine Dynamik für die reflexive Erkenntnis, da der Begriff der Idee neben dem Begriff des Vermögens an einem anderen Ort zu stehen kommt, und damit eine Unterscheidung von Idee und Vermögen anzeigt, die für die Vermögenserkenntnis von entscheidender Bedeutung ist: das Maß des Selbstseinkönnens verhält sich zu der durch die Differenz von Idee und Vermögen angezeigte Nichtentsprechung.

Die Begegnung mit der eigenen Unangemessenheit in der Thematisierung des unbedingt geltenden Maßes in der Idee eines Vermögens hat wesentlich damit zu tun, daß wir in ihren Begriffen Verhaltens- und Handlungsweisen als vermocht thematisieren, die wir bereits in Gebrauch haben, die aber, indem wir sie thematisieren uns auch schon anzeigen, dass sie fraglich sind: sie haben in dem, was sie bedeuten, einen orientierenden, maßgebenden Gehalt.

Als gefragt, was sie sind, da sie in ihren Verbindungen keine Gegenstände bedeuten, sonden für die Verhaltensorientierung maßgebliches Bedeuten, zeigt ihr Infragestelltsein ,was sie bedeuten, uns an, daß es einen Bedarf für die Erneuerung ihrer durch ihre Begriffe bedeuteten Selbstgemäßheit gibt und wir in gewisser Weise es nicht recht vermögen, was wir als vermocht im Begriff thematisieren. Martin Heidegger hat das ähnlich formuliert, wenn er in der Frage „Was heißt Denken“ die Einsicht sich bekunden sieht, daß wir, uns fragend, was Denken heißt, das Denken noch nicht recht vermögen. (3)

Vermögen ist das Können selbst in seiner Angemessenheit als gelingend und trägt so das ihm eigene Maß. Es wird sich an den Beurteilungen von Handlungen zeigen, daß wir ohne Rückbeziehung auf das Vermögen des Handelns wie der Beurteilung zu keinem verbindlichen Maß kommen können. Das Maß anzunehmen kann aber nur in einem Verhalten der Selbstanmessung erfolgen, die Erneuerung und Bildung des Verhaltensvermögens von Vermögen ist.

Vermögen sind entsprechend dem griechischen Begriff der dynamis  bei Platon und der Bedeutung von facultas bei Baumgarten (4)  vom Begriff der Fähigkeiten der Seele zu unterscheiden. Vermögen sind in Unterscheidbarkeit von Fähigkeiten keine möglichen Gegenstände der Psychologie. Sie sind auch nicht nur „subjektiv“, sondern schließen ausdrücklich die Vermögen der Materie und die der Erkennbarkeit von Gegenständen ein, zu denen sich die Vermögen des Erkennens als sie selbst bedingend verhalten können müssen. Vermögen als Begriff erlaubt es, jede Handlungsart nach ihrem Vermögen zu beurteilen, das durch die Einheit von Vermögen als Bedingungen seiner Identität ermöglicht, durch kein anderes in dem, was es ist und ausüben können muß, ersetzbar ist. Darum hat ihr Selbstsein an einem ursprünglichen, nicht von anderen abgeleiteten Seinsweise teil, obgleich es durch in anderen Begriffen bedeuten Vermögen bedingt ist. Die begriffsbestimmende Einteilung, die diese Identitätsstruktur aus ursprügnlicher Einheit von Vermögen wahrt, ist darum nicht Teilung eines gegebenen Ganzen, sondern selbst nur unter der Annahme der Bestimmung zur Einheit als verhaltensleitend möglich. So können wir im Bewußtsein seiner Urteilshandlungen vom Verstand als Vermögen des Urteilens ebenso angemessen sprechen wie von ihm als Vermögen des Denkens, der Begriffe oder der Regeln in der Funktionsverbindung des Urteilsbewußtseins. Da die Identität als Verstand nicht durch eine Auflistung zu vereinheitlichen ist, wird die Methode auf die identitätskonstitutive Struktur von Bedingungsverhältnissen verschiedener Vermögen und Funktionen verwiesen, auf deren Verbindung es ankommt, dass sie eine Selbstgemäßheit in Sein als erkennbar, wie im Begriff bedeutet, als für ihn ursprünglich ermöglicht.

Die Beachtung von Vermögen für das Handeln im Verhalten zu ihm nimmt das Maß der Angemessenheit in die Acht und setzt sich der instrumentellen Zweckbestimmung im Gebrauch und der Funktionserklärung entgegen.

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1  Kant: der Vermögen als fakultas von jeder nur psychologisch     verstandenen Fähigkeit unterscheidet. Refl. xxxx

2  Das sich gemäß Setzen für das Verfahren der Erörterung nimmt für die damit in Anspruch genommene Identitätsform des Begriffs auch Fichte in § 1 seiner Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794 auf. Was die Identitätsstruktur der Begriffe von Vermögen in Bedeutung ihrer Idee mit der Tathandlung als Grundlage von Wissen überhaupt bei Fichte verbindet, und wodurch sich der tragende Unterschied für die integrative Einteilung zeigt, wird einer eigenen Darstellung vorbehalten sein. Die Bezugnahme ist aber nicht zufällig, da sich an der idealistischen bzw. nur formal logischen Behandlung der Identitätsform des Begriffs von etwas als es selbst die Grundstruktur der Orte von Begriffen der Vermögen in das Ideenmaß annehmender Bedeutung hat herausbilden können. Wir erinnern uns dankend der Gespräche zu dieser Frage in einer Arbeitsgruppe mit Marcello Stammt und Rene Spitz zu Fichtes Dialektik im Rahmen des Jena-Projekts von Dieter Henrich in München.

3  Martin Heidegger, „Was heißt Denken?“ Tübingen 1955

4  R 5864. Zu M § 216:  Die logik, welche obiective regeln des Gebrauchs des Erkentnisvermögens vorträgt, und die Ethik, die dieses in ansehung des Begehrungsvermögens (das Sollen) thut, setzt zu beydem nur Vermögen |XVIII372 des Gemüths voraus. Die Psychologie, die das erklart, was geschieht, nicht vorschreibt, was geschehen soll, beschaftigt sich mit Gemüthskräften. Vgl Baumgarten M §. 216: Omnis substantia exsistens agit, §. 210, 199, hinc habet possibilitatem agendi seu FACULTATEM*) (potentiam activam, vim, cf. §. 197), §. 57, si patitur, habet possibilitatem patiendi, i.e. (potentiam passivam, capacitatem) RECEPTIVITATEM**). §. 57.*) Vermögen. **) Fähigkeit, Empfänglichkeit.