Einleitung
1. Die Einheit der Vermögen in Bedingungen ihrer Kritik
Die Architektonik von Kants Kritik der reinen Vernunft stellt sich als ein Gefüge von einander bedingenden und dadurch ermöglichenden Vermögen dar, deren Einheit, so sagen es ihr Titel und ihr Vorwort, nur durch „Kritik der Vermögen“ gewahrt werden kann. Eine Kritik aber könnte als die von Vermögen nicht angemessen ansetzen, läge der für sie maßgebliche Anspruch nicht in den Vermögen selbst. Es ist dies der Anspruch der Wahrung von Identität durch eine Einheit, der die Erkenntnis- und Bestimmungsarbeit aus den Begriffen der Vermögen selbst dient. Die zu wahrende Identität eines jeden begreifbaren Vermögens zeigt sich durch die Einheit von Vermögen bedingt, zu der die Vermögen des Begreifens und Bestimmens selbst gehören. Begriffe und Vermögen von Einheit, Angemessenheit, Identität, Bedingung und Unterscheidung bilden selbst schon Bedingungsverhältnisse untereinander aus und geben Strukturen zu erkennen, in deren Geflecht wir die dem Erkennen und Denken in Begriffen verbundenen Verhaltensweisen schon mit bedenken.
Nur dann aber ist eine Kritik, die kein fremdes Maß heranträgt, überhaupt möglich, wenn einem Vermögen als solchem nicht nur Einheit und Maß eignet, sondern ihm selbst auch eine Ungemäßheit widerfahren kann, die sein es selbst Seinkönnen gefährdet und zerrüttet. Die Bedingungen als Vermögen selbstunvermögend zu sein, müssen in eins mit dem Maß der Selbstentsprechung erkennbar werden und dies ist aus der darstellenden Konstruktion der Einheitsbedingungen möglich, sofern Identität von Vermögen durch eine Einheit von Vermögen nur möglich ist und jede Mißachtung einer Bedingung und Verfehlung des Zwecks eines der bedingenden Vermögen zu einer Uneinheit im Verhalten und damit einer Selbstungemäßheit im Identitätsverhalten des bedingten Vermögens führt. In gedachter Uneinigkeit macht aus dem Begriff eines Vermögens sich die Bedingung seiner Identität dem widerstreitvoll erfahrenen eigenen Verhalten gegenüber geltend, kann aber als Maß dann dem Widerstreit gegenüber nur als Einstimmung angenommen werden, deren Idee die Vernunft im handelnden Austrag von Widerstreit leitet. Und der Begriff, der die Identität als Form hält, bedingt ja dessen Bewußtseinkönnen als ein Vermögen; ohne ihn wäre der Widerstreit mit sich gar nicht erfahrbar. Jeder auch nur denkbare Widerstreit von nach seinem Vermögen begriffenen Handlungsverhalten trägt mit dem Maß des Vermögens als Idee einen Verpflichtungsgrund, ihn zu lösen. Das System in der begrifflichen Dimension seiner Darstellung wird diese Dreiheit von Form, Einstimmung und Identität im Reflexionsverhältnis zu Materie, Widerstreit und Unterscheidung anzeigen und in die einteilende Verantwortung der Bestimmung von die Vermögen nach ihrer Idee bedeutenden Begriffen gebunden darstellen.
Für die Ideen von Vermögen heißt dies aber umgekehrt auch, sie können nicht anders angenommen, nicht gedacht und erkannt werden, wenn sie nicht auf das Fehlbare von Einstimmung, das Widerstreitvolle im Handlungsverhalten von Vermögen deren Maß im Gedächtnis von Identität (für das Verhalten als Vermögen) zur Geltung bringen. Ein jedes Vermögen muß darum, wenn es überhaupt Maßgrund seines Verhaltens sein kann, am Vermögen der Begriffe und der Idee seiner selbst, am Vermögen der Vernunft, Widerstreit zu verantworten und der Entscheidungskraft, ihn auf Einstimmung hin zu entscheiden, teilhaben. Maßgeblich für die Methode ist darum nicht ein zu vermeidender Widerspruch, sondern die Einstimmung im auszutragenden Widerstreit und darin liegt der entscheidende Grund, warum wir es in der philosophischen Grundlegung durch Kritik nicht mit einer Theorie und ihren logíschen Wissensbedingungen zu tun haben. Einer Kritik sind nur die an Verstand, Vernunft und Urteilskraft teilhabenden Vermögen fähig, weil nur mit diesen wir einer Angemessenheit fähig sind, die einer Maßannahme für das Selbstseinkönnen (in Identität durch Einheit) bedürftig sein kann.
In der Reflexion nur auf die Vermögen solchen Handlungsverhaltens als durch Begriffe gedacht steht das selbstbewußte Denken von Vermögen in einer Eigenständigkeit (Autonomie), in der es den gesellschaftlichen Widerstreiten der Handelnden Widerstand leisten und den Anspruch seiner Selbstentsprechung als Person wahren kann, wenn ihm denn die Muse, d.h. Zeit, Bildung und Ruhe, zur philosophischen Besinnung gegönnt ist. Es muß aber umgekehrt, wie schon den Philosophen in Platons Politeia (1) begreiflich werden, daß solches Selbstübungen (2) ihrerseits nur Grundlage für ein im geschichtlichen Handeln Einstimmigwerden sein kann, das zumal für die Seele und das Personsein je selbst wie für die personalen und politischen Gemeinschaften maßgeblich wird. Alle Selbstbildung erfährt durch seine mitvollziehbare Darstellung ein vorbildhafte Gestalt; es muß die Maßannahme für die als je eigene im Begriff allgemein gefaßten Vermögen von allen nach- und mitvollzogen werden können, die selbstbewußt die Bedingungen ihrer Vermögen zu denken und zu erkennen bedenken. Die Philosophie bleibt in ihrem methodisch vorbildlichen Verhalten Bildung und ist selbst auch als systematische ein „philosophieren Lernen“ (3).
Als ein „selbst Denken“ (4) ist ihr vermögensreflexives, die Idee als Maß der Selbstentsprechung annehmendes Verhalten ein „Denken an der Stelle eines jeden anderen“ und findet zum System in der Verantwortung des „konsequenten Denkens“. Nur wenn das Denken selbst sich übt, an der Stelle eines jeden anderen und konsequent zu denken, kann es vorbildhaft verfahren und seine Verfahrensweisen vorbildlich ausbilden, die als Methode, die vom griechischen Wortsinn als Mit-Weg je selbständig gegangen werden kann. Darum ist die Kritik der Vermögen nichts anders als ein „Traktat über die Methode“ (5) und stellt selbst Methode dar. Dies ist die Wissenschaftsform, die ihre Kritik für die Philosophie – in Erneuerung ihre Angemessenheit – eröffnet, und deren Erkenntnisweise Kant als eine „Vernunfterkenntnis aus Begriffen“ (6) darstellt.
Die Kritik ist als solche ein systematisch grundlegendes Verfahren der vermögenswahrenden und vermögensbildenden Selbsterkenntnis, die der Bildung der (widerstandsfähigen, kritischen) Vermögen des eigenen Denkens in Verantwortung der Allgemeingültigkeit durch Übung der Gemeinschaftsfähigkeit dient. Sie verfährt systematisch im Wissen der Methode, zu deren Verfahren die Berichtigung gehört, deren Maß als Vermögen wiederum eine Rechtheit ist, der als Idee die nicht wiederum berichtigbaren Bedingungen des Vermögens, sich überhaupt berichtigen zu können, zugrundeliegt.
Ihr Maß ist das Vermögen selbst als es selbst, die als Idee des Vermögens da Angemessene in der zusammenzustimmen bestimmten Ausübung von als vermocht angenommenen Vermögen zu finden anleitet.
1 Politeia
2 Stoa
3 B 865
4 vgl. KdU: selbst denken, an der Stelle eine jeden anderen denken, konsequent denken
5 Die „Kritik der reinen speculativen Vernunft (...) ist ein Tractat von der Methode, nicht ein System der Wissenschaft selbst; aber sie verzeichnet gleichwohl den ganzen Umriß derselben sowohl in Ansehung ihrer Grenzen, als auch den ganzen inneren Gliederbau derselben.“ (KrV, Vorrede B XXII)
6 KrV B 741: „Die philosophische Erkenntniß ist die Vernunfterkenntniß aus Begriffen“ ; Met d Sitten: „Denn alle moralische Beweise können, als philosophische, nur vermittelst einer Vernunfterkenntniß aus Begriffen“ geführt werden“ (VI 403), vgl. dazu Peter König, Autonomie und Sittlichkeit, der zurecht diese Erkenntnismethode aus Begriffen mit der Bestimmungarbeit an und für das begrifflich orientierte Denken herausstellt, aber den sytematischen Zusammenhang mit den Ideen als Ideen von Vermögen und der Systembildung in der Kritik nicht erschlossen hat.
KrV B 741: „Die philosophische Erkenntniß ist die Vernunfterkenntniß aus Begriffen“ ; Met d Sitten: „Denn alle moralische Beweise können, als philosophische, nur vermittelst einer Vernunfterkenntniß aus Begriffen“ geführt werden“ (VI 403), vgl. dazu Peter König, Autonomie und Sittlichkeit, der zurecht diese Erkenntnismethode aus Begriffen mit der Bestimmungarbeit an und für das begrifflich orientierte Denken herausstellt, aber den systematischen Zusammenhang mit den Ideen als Ideen von Vermögen und der Systembildung in der Kritik nicht erschlossen hat.
vgl. aber R 1694: „Die Philosophie, so fern sie Gegenstände betrachtet, gehört unter die Reihe aller andern Wissenschaften und unterscheidet sich nur der Form nach: nämlich ihre Erkenntnis ist eine Vernunfterkenntnis aus Begriffen.“
Im Kapitel über die „Hauptaufgabe der Kritik“ wird mit der Methode der transzendentalen Reflexion die Untrscheidung des Erkenntnisverhaltens zu Gegenständen gegenüber demjenigen zu Vermögen herausgearbeitet. Nur diejenigen Begriffe, die als reine Verstandesbegriffe a priori den Gegenstandsbezug selbst gewähren, geben der philosophischen Erkenntnis noch ein Gegenstandsverhältnis; alle anderen Vermögen aber, sofern sie nicht im Dienst für den Verstand in der Gegenstandserkenntnis aufgehen, also alle Begriffe von Ideen, die von Kategorien unterscheiden zu lernen, die Bildungsaufgabe der Krtiik der reinen Vernunft ist (Prolegomena § 43, siehe unten) bilden kein Gegenstandsverhältnis mehr aus. Vielmehr entspringt hier selbst ein Grund der Nötigung zur Kritik, wenn im Selbstverständnit der Philosophie die Arten der Erkenntnis nur als verschiedene Formen des Gegenstandswissens (als bloße unterscheidungen von Theorieformen) erachtet würden. Demgegenüber stellt schon die Kritik eine eigene, nicht gegenstandsbezogen Art von Erkenntnis dar, die mit dem Verhalten zu Vermögen in Ideen mit Grund und Maß, unabtrennbar ist von Bildung der an sich praktischen Vernunft schon in der Reflexion eine von den Verstandesfunktionen des Gegenstandsbewußtseins unterscheidbare Geltungsweise verschafft. Zur Kritik wird darum ausdrücklich die Rechtfertigung des Gebrauchs nicht nur des Begriffs der Idee sondern auch der des Vermögens gehören; die Deduktion der Kategoriengebrauchs ist nur die Vorarbeit und die unabdingbare Bedingung für die Vernufnterkenntnis aus Begriffen von Ideen und Vermögen, da dises ohne die Kritik in der Begrenzung und Unterscheidung zur Gegenstandserkenntnis, mit der die Elementarlehre einsetzt, nicht gelingen kann. Die hier unter dem Titel „Funktionen der Einheit“ vorgelegte Studie zum Vermögen des Verstandes in seinen Funktionen des urteils und seinen auf ihnen beruhenden „Begriffen von Gegenständen überhuapt“ (Kategorien) sucht diesen notwendigen Grundlgungsteil nachzuzeichnen und in seinen Begriffsbestimmungen und Argumentationsbedingungen aufzuschließen. Die Einheit von Funktionen – in der Urteilsverbindung – steht selbst in einem Bedingungsverhältnis zur Einheit der Vermögen und der Ideenorientierung im Selbstbewußtsein des Verhaltens aus Vermögen, gewährt aber eine Unterscheidzung der Weisen von Einheit mit der Unterscheidung der Vermögensbegriffe von Verstand, Vernunft und Urteilskraft (als dem eigentlichen Vermögen der Kritik), da sie dem Begriff der Funktion eine vom Begriff des Vermögens und dessen Handlung im Verhalten jeweils wohlunterschieden Stellen im System zuzuweisen ermöglicht.
Zu Stoa und Heilung: Diätetik eine freye Kunst ist, die ein jeder, der auf sich Acht hat und dem Winke der Natur Folge leistet, sich selbst erwerben kann. Man sieht leicht, daß die letztere eigentlich eine Philosophie, d.i. eine Vernunfterkenntnis aus Begriffen und darauf gegründeten stoischen Principien (sustine et abstine) sey und zwar eine (technische) praktische Philosophie sey, mithin ihrem Stoffe, den Empfindungen nach empirisch, der Form nach aber des Gebrauchs und der Anordnung derselben zu Erhaltung der Gesundheit ein Erkenntnis a priori (nicht die eines Empirikers) sey etc. (Streit der Fakultäten – Vorarbeiten Bd XXIII S. 464) Pflichtbegriff gebieten könne, welches den Begrif der Freyheit, der nur durch diesen Imperativ erkannt werden kann, begründet. — Mit diesem nun wird Rechtslehre (und die darin Anzutreffende Staats- und Völkerrechtslehre) und Tugendlehre — beyde als reine Vernunfterkenntnis aus Begriffen — begründet.
v aao. S. 690