Politeia


Aufbau der Politeia


Leitthema ist die Gerechtigkeit. Die Diskussion um die Bestimmung ihres Begriffs steht von Anfang an im Spannungsfeld der Beziehungen von philosophischer Arbeit zum Staat und dessen Begründung, zu der für eine Verfassung auch eine Gesetzgebung gehört.

Wer philosophisch-denkerisch zu bestimmen sucht, was Gerechtigkeit ist, der vermag sie selbst als paradeigma (als idea) nur in den Blick zu bekommen, wenn er erkennt, daß ihr Erblicken die Haltung eines Handelns anleiten kann, das begleitend als gerecht zu beurteilen ist: Gerechtigkeit muß Beurteilungsmaß im Prüfen des Grundes von Handeln aus Gerechtigkeit sein können. Kurz gesagt, wer Gerechtigkeit als solche zu begreifen sucht, muß – in Gedanken – einen vollkommen gerechten Staat gründen und erkennen, daß dies nur in Gedanken zu tun, unangemessen ist und sich diese Unangemessenheit in der grundlegenden Gesetzgebung selbst zum Ausdruck bringt. Die Idee der Gerechtigkeit vermag in der Ausgestaltung einer nur gedanklich ausgemalten Idealität nicht gestalt zu gewinnen, sondern macht sich als Maßgrund in der sich berichtigenden Umwendung geltend, die wir unter dem ersten Teil unseres Spruchs sehen: daß die Philosophen Könige werden müssen.  

Die Beziehungen von philosophischer Bestimmungs- und Einteilungsarbeit in Gesetzgebungsüberlegung für eine gerechte Verfassung zu einem (real gegebenen oder real möglichen) Staat sind spannungsvoll auch deswegen, weil das Bestimmen von Leitbegriffen selbst gesetzgeberische Formen hat, bzw. weil in den zu bestimmenden Bedeutungen weisende Funktionen begegenen, aber zugleich mit den Vermögen und Aufgaben des Hütens und Bewahrens, auch mit denen des Prüfens und Berichtigens verbunden sind, die auf bestehende Ordnungen und ihre Funktionsprobleme sich beziehen (modellhaft abgehandelt in den „ungerechten Verfassungen“ im Vergleich mit den ihnen entsprechenden Seelenverfassungen). Die eigentliche Bildungsbewegung im Lernen des zuhöchst zu Lernenden verläuft darum auch durch unvermeidliche Widerstreite hindurch, in die jene Gesetzgebung eines gerechten Staates gerät und derer sie methodisch aus der privatio seiner Stellung als Philosoph ohne Staatsverantwortung in Amt und Würden, ohne reale gesetzgeberische Macht, ohne Teilhabe an einer verfassungsgebenden Versammlung inne werden muß.

Die sich als „besorgte“ Einzelne denkend und redend verhalten, als wären sie verantwortlich, sich während eines Festes in Athen aber in einem Privathaus versammeln, und je nur so tun können, als wären sie allgemeine Gesetzgeber für einen bestmöglichen Staat, daß sie die macht hätten, ohne die  Macht wirklich zu haben und in einem wirklichen Staat ausüben zu können, erkennen ihr Grundgesetzgebungen nur als gedichtet oder gemalt, wissen also, daß sie der Bestimmung dessen, was sie tun,nichts ganz angemessenes tun. Diese Unangemessenheit in der Verantwortung schlägt zurück auf die Möglichkeit der inhaltlichen Einstimmung: eine allgemein gründende Gesetzgebung für Staatsverfassung kann nur deren Begriff geben, der in einer möglichen machtvollen Staatsbegründung oder Erneuerung als Maß und Beurteilungsgrund dienen kann. Sie bleibt darum in ihrer Wirkungsmacht auf andere angewiesen, die wie die nur denkersich Gründenden, deren logoi in den Widerstreiten aufnehmen und es lernen, die Einsicht der Ideen als dem maßgeblichen selbst in sich Raum greifen zu lassen. Das „Bild“ eines bestmöglichen Staates kann nur in den Beurteilungsvermögen derer, die in der Tat die Gründungs- und Wahrungsverantwortung von Staat und Staatseinheit übernommen haben, lebendig werden. Darauf zielt das Wort, daß die Philosophen Könige werden müssen; umgekehrt sind die soganannten König nur anzusprechen, wenn sie schon zur Besinnung gekommen und nach ihrer eigenen Aufgabe fragen. Was ist ein König, was muß er können, was hat er zu tun?


Idee der Gerechtigkeit

Jede Handlungsentscheidung (Entscheidung durch die Tat der Handlung) ist eine Beurteilungsentscheidung, die sich durch den Vollzug geltend macht (und mithin in der Verantwortung der Richtigkeit und Rechtheit der so tatkräftig vollzogenen Entscheidung steht = sich stellt). Die Entscheidung durch Tat schließt die Beurteilungsüberlegung und Prüfung ab, wird, wo sie erkennbar wird, selbst beurteilbar und es gehört zur Verantwortung (aus dem Prinzip der Einstimmung und Selbstgemäßheit), daß für sich wie für andere die geltend sich machende Entscheidungsbestimmtheit offenbar wird und ein Beurteilen im Selbstbewußtsein begleitet, das als Selbstbewußtsein des Handelnden im Handlungsverhalten bereits die Verbindung von Besonnenheit und Tatkraft begleitet, also Weisheit ist – uns die Verantwortungseinsicht in die Bereitschaft eingehen läßt, auch eine Handlungsentscheidung zu korrigieren, mit allen durch die Tat hervorgerufenen Konsequenzen (Krieg heraufbeschworen, Befriedung, Versöhnung, Wiedergutmachung, Neuaufbau des Zerstörten ... heilsam)

Die Gerechtigkeit greift darum nicht nur auf die je bewußten Absichten aus, sondern bezieht auch die in den Handlungen und im wirksam werdenden Verhalten „antreibenden“ Bestimmungen und Bestimmungsgründe (auch Begierden, Antriebe, Motive oder Regeln und Gesetze, denen man unwillkürlich oder willentlich folgt) ein: darum in Rede und Tat (Logos des recht Redens, recht Denkens und Beurteilens). Maß- und Kriterienerkenntnis der Beurteilung selbst.