Reflexionsbegriffe


1.8

In Kants über die drei Werke hinweg angelegten Kritik der reinen Vernunft geht die Selbsterkenntnis der Vernunft von der Einsicht in die Bedingungen des urteilenden Verstandes als eines Vermögens aus, legt dessen Idee zugrunde und läßt im Übergang zur Vernunft jene Reflexionsbegriffe ins Bewußtsein treten, die für die reflexiven Untersnheidungen und Einteilungen in Gebrauch genommen waren, vom Anfang der transzendentalen Ästhetik an: Es sind dies die drei Paare: Form und Materie, Einstimmung und Widerstreit, Identität und Unterscheidung. Es wird einen Teil der Argumentationsgang dieser Arbeit ausmachen, warum das von Kant mitgenannte vierte Paar: Innen und Außen, keine Relevanz mehr für die systematische Gliederung hat. Die Entgegensetzung von Innen und Außen bleibt zu vorstellungshaft und raumbezogen metaphorisch, und verhindert so die eigentlich kritische Lösung des Widerstreits einer theoretisch spekulativen Vernunft in ihrem Übergang zu ihrer Selbstgemäßheit als an sich praktischer (kann nicht durch reflektierende Erkenntnis einsichtsvoll begleitet sein, wenn diese sich im Innen-Außen Bereich herumtreibt). Das hat natürlich Folgen für den Systemaufbau, der aber allererst möglich und vollendbar wird, wenn auch die den jeweilig verfahrensleitenden Vermögen die entsprechend erforderlichen Reflexionsarten durch ihre Begriffspaare zugeordnet werden können.

Für das Verfahren der reflexiven Einteilung im Verhältnis zum urteilenden Verstand und seiner Formbestimmung im Verhältnis zur sinnlichen Anschauung sind dies die Reflexionsbegriffe von Form und Materie.

Für die unter Rechtfertigungszwang durch Widerstreite ihrer Handlungsbestimmungen als Vermögen der Gründe geratende Vernunft sind dies Einstimmung und Widerstreit.

Für die reflektierend einteiend Verfahrende Urteilskraft aber die schon im Sophistes erörterten Begriffe von Identität und Unterscheidung (Selbigkeit und Verschiedenheit).

Kant erörtert sie im Kapitel über die Amphibolie der Reflexionsbegriffe, situiert dieses aber gnau an der Schnittstelle der Erörterung von Verstand und Vernunft in der Kritik der reinen Vernunft (B 316 ff) und leitet sie mit der Unterscheidung vom Gegenstandsbezug des Verstandesdenkens ein:  

„Die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu thun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen“.

Zur Vernunfterkenntnis aus Begriffen, wie Kant die Methode der philosophischen Grundlegung nennt, gehört die nur mit kritischer Urteilskraft mögliche Erkenntnis von Grenzen in der Bestimmung von Vermögensverhalten überhaupt, die die Rechtfertigung im Maß der Selbstgemäßheit bedingt und darum nicht als beklagenswürdige Einschränkung zu begreifen ist, sondern immer auf ein Ermöglichen ausgerichtet bleibt, dem Dank in ursrpünglicher Verbindung entsprechend. Daß die vernünftige Einsicht sich dabei auf Vermögen nur mit Erschließung von Bedingungen der Vermögen beziehen kann und nicht auf einzelne Handlungen (facta) geht, wird entscheidend für die Vernunftbegründung in Ethik und Recht. Damit ist in einem ersten Schritt der Aufbau der hier vorgelegten Argumentationsfolge skizziert, wie sie der Abfolge in der Einheit von Kants ersten beiden Kritiken entspricht.

Vernunft übernimmt mit der Einsicht in Bedingungen der Verhaltens- und Handlungsvermögen aus der Einsicht in die Grenzen des Verstandes vor allem im selbstbewußten Denken, Erkennen und Beurteilen selbst Verantwortung für Vermögen überhaupt und unterwirft sich mit dem Maß für das Vermögen (in Teilhabe an der Urteilskraft) jenen Zwecken der Angemessenheit, auf daß wir eines Verhalten in dessen jeweilig entsprechender Weise vermögend zu sein, also es in seiner Handlungsart überhaupt ausüben zu können uns bewußt sein können. Im Begriff des Vermögens hält die Vernunfterkenntnis ein Maß der Urteilskraft als Vermögen ins Bewußtsein und hält mit der Idee das Vermochtseinkönnen dessen, was als Vermögen im Begriff gedacht wird, sich zur selbstbewußt werdenden Aufgabe.

Vernunft trägt so als besonderes Vermögen Fürsorge für Vermögen überhaupt und in ihrer sich verbindenden Einheit und ist damit zugleich eingebunden in das dem Selbstseinkönnen nur insgesamt zuzuerkennende „Vermögen der Ermöglichung von Vermögen“.