Selbstsein und Einheit - Parmenides

Vom Seienden zu sagen, daß es sei und vom Nichtseienden, daß es nicht sei, und daß ein Drittes undenkbar und weglos sei, stellt jene Methodenweisung im Lehrgedicht des Parmenides dar, die als Beginn der philosophischen Reflexion gilt. Es ist ein durchaus kritischer Weg, auf dem sich das seiner Regeln und Verfahrensvermögen selbstbewußt werdende Denken immer wieder erneut abarbeitet.

Ist das Nichtseiende auf alle Weise nicht, dann ist das Sein des Seienden rein unterschiedslos, da jeder Unterschied für das Denken durch ein Nichtsein bedeutet wird, das Sein also gleich einem Ganzen ohne jeden Mangel: ein Eines ohne jede Vielheit.

Im Dialog „Parmenides“ läßt Platon den alten Parmenides mit dem noch jungen Sokrates zusammentreffen und um der Frage nach den Ideen willen, als Vorübung gleichsam, den Satz des Parmenides selbst zur Prüfung stellen: nicht als Dogma, dem ohne Überlegung und Einsicht von Gründen zu folgen wäre, sondern als Hypothesis in der Form des Satzes: wenn eines ist – dem jedoch als Übung der philosophischen Reflexions- und Urteilskraft ebenso der Satz, wenn eines nicht ist wie die Hypothese, daß Vieles sei bzw. nicht sei zur Seite gestellt und gleichberechtigt durchgeführt werden. In allen diesen Fällen gerät das Denken in seinen Bestimmungsversuchen in eine Aporie, also in jene Ausweglosigkeit, vor der die Methodenweisung des Lehrgedichts des Parmenides gerade schützen wollte. Darum Endet Platons Parmenides-Dialog mit der Rede:

„So soll also gesagt sein, und auch dies, daß – wie es scheint -, ob das Eins nun ist oder nicht ist, es selbst und die Anderen sowohl im Verhältnis zu sich selbst als auch zu einander alles auf alle Weiseist und auch nicht ist und scheint und auch nicht scheint. – Sehr wahr.“

Alle Vielheit mußte nach dem Diktum des Parmenides als reiner Schein erscheinen. Was dem Verstand zunächst ganz vernünftig schien, stellt ihn nun vor das Problem, daß er nicht verstehen kann, wie überhaupt ein Denken und Erkennen und gültiges Wahrnehmen der Dinge in ihrer Verschiedenheit und Vielheit möglich ist.

Platons Kritik hält am Anspruch des Verstandes, zu verstehen, was zu denken gewiesen ist, fest.

Wie ist Schein möglich, wie Irrtum? ... Sein von Nichtseiendem.

Wenn Erkenntnis und wenn Unterscheidung von Wahrheit und Schein, wie doch von Parmenides selbst in Anspruch gestellt: dann kann Unterscheidung nicht schlechthin nur Schein produzieren und die Unterscheidung kann nicht zwischen dem Sein des Seinden und dem Nichtsein des Nichtseinenden getroffen und gesagt werden, sondern gegenüber dem Weglosen des Seins von Nichtseiendem: dies muß gedacht werden können als dem Quell desjenigen Irrens und Scheinens, dem gegenüber allein Erkenntnis des Wahren vom Falschen unterscheiden kann: es muß Unterscheidung in Wahrheit möglich sein – und sie wäre nicht im Sein gegründet, wenn alles Seiende selbst unterschiedslos wäre.