Orte und Sammlung - Parmenides und Heraklit


Das Denken des gemeinsamen Seins und der den Widerstreit in der Entscheidung tragende Logos

Zur Grundlegung der Orte der Ideen und der Verflechtung in der Versammlung bei Parmenides und Heraklit


„Das Selbige in dem Selbigen verbleibend, ruht es in seinem eigenen Bereich (καθ ἑαυτο), und so verbleibt es an Ort und Stelle fest verwurzelt.“ V.29 (Übersetzung Schadewaldt S.339)

Es ist der Ort eines in Notwendigkeit fest umgrenzten Ganzen, das mit Parmenides als das Sein im Gedachtwerden gesagt werden kann  - anders auch nicht gesagt werden kann, da im Gesagten kein Sein sein, kein Sein gesagt sein kann, das nicht gedacht ist. Es ist die Identitätsform des Begriffs am Ort der Idee, ein Ort, der nicht gegen das Nichtsein abgegrenzt ist – denn die Scheidung von Sein (Ist, Ist, Seiendes seiend) vom Nichtsein (Nichtseiendes nichtseiend) ist eine Weisung an das Denken, wie im Denken sich zu verhalten sei. Es ist die Verhaltensnotwendigkeit dieser Scheidung, die – als ανανκε – dem Sein als Sein (im Denken) die Grenze gibt.

Sein ist mit der Notwendigkeit seiner Grenze als einer umgrenzenden Erhaltung eine Haltung und ihm gehört als einem Ganzen (mit all der von der Göttin Stimme ihm zuerkannten Unverbrüchlichkeit, die ja eine Weisung ins ungeteilt Haltens bleibt) die Umgrenzung als Verhalten in der Folge der Methodenweisung zu.

μεθοδος ist der Weg, auf dem etwas eingeholt wird, den man wieder- und mitgehen kann. Selbigkeit für das Verhalten, das die Selbigkeit zu wahren hat: denkend zu sein, seiend zu denken.

So wird das Bild des Seins in seinem (apodiktischen) Gefaßtsein zum analogon, demselben im Logos als einem uns gemeinsam selbigen zu folgen, damit das Selbe als gemeinschaftlich bleiben, d.i. sein kann.

Die Scheidung von Sein zu sein und Nichtsein zu nichtsein ist in ein Verhalten hineingesprochen, das fähig ist, nicht seiendes für seiend zu halten, also nach Einbildungen (daß Nichtseiendes sei) strebend in Zerwürfnissen (daß Seiendes und Nichtseiendes dasselbe sei und nicht dasselbe) zu leben. Die Umgrenzung hält also das Sein gegen den Schein als ein zu haltendes gegen das Unhaltbare, aber im Verhalten des Denkens doch eine Macht ausübend.

Das Denken muß sich in seinem Verhalten mit der Annahme des Seins als zu sein zu denken und denkend in Scheidung zu halten, als in Vorstellungen (δοξα) mit sich verhaltend, so daß das Gemeinsame des Denkens des Seins oder Nichtseins jenes gemischte ist von Sein im Denken und Schein in Meinung, wie es Heraklit erst nennt. „Da ist ein einheitliches Sein, in dem das Wahre und Scheinhafte miteinander vermischt und verflochten ist. Die Menschen, die darin leben, sind umgeben von dem Wahren, und doch nehmen sie es nicht warh, sind ihm fern. (...) Sie sind anwesend abwesend.“ (Schadewaldt 360)

Das Gemeinsame des Logos, darin wir das Wort zur Scheidung und zum Gewahren des Seins im Gedachtsein vernehmen und befolgen können, muß dem Bildlichen und dem Einbildnerischen für das Analogon einen Raum zuweisen im sich Unterscheidend verhalten und dem Sein als eines ganzen zuwenden zu können. Das Sein von Nichtsein, das, wie durch Platons Sophistes gelehrt, in alle Bildlichkeit mitwirkt, geht auch in die Logosverbindung für das Denkenkönnen des Seins ein, da es erst den Irrtum und die Scheinbildung in der doxa ermöglicht. Doch bleiben wir im Begriff als Schein und als Irrtum an die Weisung aus Notwendigkeit gebunden, Sein zu sein nicht für dasselbe wie das Nichtsein zu halten. Sein als Sein zu denken macht sich im Denkverhalten, das sich der Irrtumsmöglichkeit und der Verfehlung im meinungsgeführten Handeln bewußt ist, als Wahrheit geltend, die im Bild der wohlgerundeten Gestalt, die „nicht ohne Abschluß ist“

Das Selbstbewußtsein des Denkverhaltens behält darum in der Entscheidungsverpflichtung, die es mit dem vernommenen Wort der Göttin übernimmt, das Scheinbildnerische Verhalten bei sich und sieht, wie es im Raum, darin die Weisung Geltung erhält und uns (als denkende = das Denken selbst) bestimmt, an der Umgrenzung mitzuwirken, dem Logos der Notwendigkeit folgend. Denn das  Denken als Denken trägt von seinem Vermögen her mit Notwendigkeit die Bestimmung das Sein als Sein und das Nichtsein als Nichtsein zu erkennen. Wegleitend kann nicht das Dritte sein – doch durchzieht es die Haltung des Denkens als bestimmt und der Bestimmung druch den Logos der Göttin bedürftig, denn es ist eines das auf den Logos zu hören vermag und nur im Folgen die Festigkeit der Umgrenzung für die Identität des gefügten Orts wahren kann. Das Denken des Seins ist ein Folgen der Weisung zur Unterscheidung von Seiendem als seiend und dem Nichtseienden als nichtseienden; es ist Gewiesensein in die Unterscheidungsfähigkeit von Wahrheit und Schein, der Berichtigung von Irrtum, der Weg der Erkenntnis – zum Wahren und wahrhaft Rechten. („Suche der Wahrheit“ 361; „Das alte Problem von dem Gegensatz zwischen Aletheia und Doxa ist also auch hier, aber nicht mehr wie bei Parmenides je als Bereich für sich, sondern in der Welt ist eigentlich nur Doxa, in der aber die Aletheia als ein merkwürdig in ihr Waltendes nur enthalten ist.“ –)

Die Scheidung im Selbstbewußtsein muß also die Verhaltensweisen einschließen, die dasjenige Verhalten, das zu hören vermag und hört, von demjenigen Verhalten, das Hören kann und nicht hört, das hört aber nicht versteht, unterscheidet.

Wachheit, Bewußtheit, Selbstbewußtsein – Logos der Gemeinsamkeit

Während das Gedicht des Pramenides zum Vernehmen des Logos der Göttin führt und für die spricht, die wie er diesen Aufweg mitgefahren sind, spricht sich Herklit gegenüber der Menge aus. „Für dieses Wort indessen, das (immer) da ist, kommen die Menschen nicht zum Verständnis, weder bevor sie es hörten, noch sobald sie es gehört haben.“

Folgt man dem herakliteischen Programm: „Denn obwohl alles nach diesem Wort geschieht, gleicht sie doch solchen, die sich nicht damit befaßt haben, obgleich sie sich doch befassen mit Reden und Werken von der Art, von welcher ich es darlegen werde, in dem ich jedes einzelne nach seiner natürlichen Wesensbeschaffenheit auseinanderlegen und nachweisen werden, wie es sich damit verhält.“ 357 – Physis-Hexis 358

Dann muß sich aus dem Anspruch das Wort, das sich als das der Wahrheit selbst mit ihr auf die Suche nach der Unterscheidung des Selbigen und des zu Unterscheidenden in Natur und Verhalten macht, das Gemeinsame als das je das Ganze des Denkens und Vortellens durchziehenden Verhaltensweisen in Reden und Werken zu Einsicht im Logos, diesem als einem Selbigen durch die je verschiedenen Verhaltensweisen folgend ergeben, da sie auseinandergesetzt durch dasselbe Denken verbunden werden und so in ihrer Selbigkeit an einem Ort festgehalten werden können.

Jeder der auseinandergesetzen Orte des nach seiner Natur sich Verhaltenden durchzieht als dem Selbigen des Denkens in der Wahrheitssuche aus der notwendigen Umgrenztheit des Seins zugehörig das Ganze und gehört zur Befestigung und den Vermögen der Grenzziehung im Bewußtsein des Denkens als eines der Orientierung fähigen wie seines Maßes bedürftigen Verhaltens. „Nicht auf mich, sondern auf den Logos hörend, ist es weise, übereinstimmend (mit dem Logos und so untereinander gemeinschaftlich) zu sagen, daß eins alles ist.“ 

  • Das All aber ist das in der Umgrenzung sich zusammenschließende Ganze, wo alles Sein gedacht wird und im Anspruch der Weisung die Einheit des Selbstbewußtseins im Denkverhalten in der Wahrheit ist, da sie ihr folgt – ebensosehr in entscheidender Urteilskraft wie im angemessenen Vernehmen –
  • Das Alles meint hier also nicht ein gleichgültig zusammengefaßte Allheit von allen möglichen Dingen in Raum und Zeit, die gar nicht als solche zumal gedacht sein können. Zumal ist aber ein jedes nur jedem das Ganze umgreifendne Ort, der in seiner Selbigkeit alles teilhabende Verhalten allumfassend bestimmend ist

„Das Meer wird auseinandergeschüttet und erhält sein Maß nach demselben Logos, wie er vorher bestand, ehe es geworden war.“ (371) – Feste Strukturverhältnisse als Proportionen, die bleiben im Wandel. (Struktur im Prozess)

Die Hexis im Folgen des Logos, das das Verhalten im Meer seines Vermögens erneuernd das Maß empfängt.

Das Feste und Bleibende ist bei Heraklit und wäre auch bei Parmenides für das Wahrnehmbare und Vorgestellte nicht jenseits der Bewegung anzunehmen, sondern ist dessen Struktur und gehört zur Ordnung als Kosmos, als Welt an. Als solches verdankt sich aber diese Erkenntnis in der Doxa, dadurch wir wach werden können unter dem gemeinsamen Himmelszelt, dem Folgenkönnen des Logos der Wahrheit, der die Grundunterscheidung von Sein und nichtsein als eine grundlegende Weisung, der mit Notwendigkeit zu folgen ist, uns ins Denken gegeben hat, dessen Vermögen als ein Selbiges im unterscheidbar Selbigen einen Ort und seine Ermöglichung findet.

Maßgabe, jedem sein Maß. Jedes das ihm Angemessene.

Logos als Widerstreit tragend

Es kam uns darauf an zu zeigen, die denkend Parmenides und Heraklit verbunden sind und wie der gedankliche Aufweis der Verbindungen und der Verbindbarkeit ihres Denkens den Weg zur Platon bereitet, wir nachvollziehen können, wie er durch die Sophistik und das sokratische Methodenbewußtsein in der Prüfung der Logoi vermittelt, das Denken von Sein und Nichtsein im Logos am Orten des Selbigen hin zur Verflechtung der Ideen aufnimmt.

Parmenides Fr 3

..τὸ γἀρ αὐτὸ νοεῖν ἐστίν τε και εἶναι.

Denn das Selbe ist einzusehen und (hat) auch zu sein / (muß) auch sein.

Was wir als dasselbe einsehen können, muß auch sein. (von dem müssen wir auch einsehen können, daß es ist).

Denn dasselbe, das einzusehen ist, (von dem ist) auch (einzusehen), daß es ist (es ist, daß es ist).

Zuvor Fr 2: wir können nur das als ein Selbiges einsehen, was ist (ταυτον und το ον)

ειναι es ist so, daß es ist (Hölscher S. 82)

es ist nicht – nicht kundebringender Weg (denn der Weg das Denken und Einsehen ist ein Erkunden – und wäre selbst nur das zu Erkundende, sofern gefragt wird, ob und welche Kunde er bringt.

ταὐτὸν δ᾿ἐστὶ νοεῖν τε καὶ οὕνεκέν ἐστι νόεμα. Fr 8,34

Das Selbe aber ist (etwas) einzusehen und auch (einzusehen) wodurch (durch welchen Grund, wem schuldig – on account of which -) das Eingesehene ist.

Denn nicht ohne das Seiende, worin das Zuerkannte ist, wirst du die Einsicht finden.

Es ist aber dasselbe, einzusehen und auch (zugleich), wodurch das Eingesehene ist (auf wessen Rechnung es geht, daß Eingesehenes ist (sein kann) – wem das Eingesehene sich verdankt.

Es wird hier durch den Gebrauch des νοεῖν ein Begriff von Vernunft gegeben, deren Erkenntnisweise die einer begründeten Einsicht ist. Wir haben es hier mit dem noetischen Denken als Suche nach einer Einsicht zu tun, die, wenn sie ist, eine begründete Einsicht sein muß; es wird im Einsehen der Grund des Eingesehenen erkannt. Als Grund, daß die Einsicht ein Eingesehenes haben kann, wird im nächsten Vers das Seiende genannt, und dies selbst in einer Begründung gegeben („Denn nicht ohne das Seiende ...“), die eine Bedingung des Einsehens, des Einsicht Findens (εὑρήσεις τὸ νοεῖν) einzusehen gibt. Die Einsicht als Vermögen der begründenden als der den Grund erkennenden Vernunft wird in einer Reflexion auf die Bedingung des Vermögens von einem Einsicht suchenden Denken aus angesprochen und so ein Begriff der Vernunft gegeben.

Zu sein (ειναι) ist hier immer ein Sein von Seiendem: Seiendes stößt an Seiendes. Es kann kein Nichtsein im Sein sein; darum ist es kein Vorliegendes, keine leerer Raum, in den Bestimmungen hineingepflanzt werden. Was in Analogie und Entgegensetzung zur räumlich anschaulichen Gestalt vom Sein begriffen wird, ist der Begriff des Seins – mit Notwendigkeit auch der Begriffsidentität umfaßt und gehalten. Ohne diesen Begriff des Seins, mit dem und für den zugleich ein Identitätsform zur grundlegenden Bedingung des Einsichtsvermögens wird, gibt es kein Vermögen des νους, ein Eingesehenes zu haben, damit kein Bewußtsein oder Gedächtnis von Einsicht, kein Bewußtsein, daß es Einsicht zu haben vermag, einsehen kann. Ohne Bewußtsein, daß es Einsicht hat, und einsehend ist, kann das Denken keinen Grund haben, das Gedachte für ein Eingesehenes zu halten. Es könnte Sein von Nichtsein nicht mit Gründen und darum gar nicht unterscheiden. Darum ist das Einsehenkönnen immer mit der Einsicht in Gründe des Eingesehenen (als solchen) verbunden: es ist als Einsicht Grundeinsicht – dann aber als Vernunftverhalten auf das Verstehen von Besonderem im Mannigfaltigen bezogen und muß, einem Begriff zu entsprechen, als begründende und nach Gründen suchende Vernunft dieses ihr Maß in der Urteilskraft des Verstandes, dem Erfahrbaren gegenüber, geltend machen.

Daß es ohne Identität kein Sein und auch keine Einsicht gibt, besagt nicht, daß wir Identität und Sein für dasselbe halten dürften. Als Begriffe sind Sein und Selbigkeit nicht dasselbe und so dürften wir auch nicht sagen, sie seien dasselbe (identisch) – siehe megista gene.

Auch Sein und Denken ist nicht dasselbe, das sagt und denkt auch Parmenides nicht (sonst wäre schon ein Suchen gar nicht möglich).

Zu sagen und zu denken, daß Seiendes ist, kann nur mit und gegen die Vorstellung des Vorliegens in Bestimmbarkeitsverhältnissen von Raum und Zeitlagen (-Verhältnissen) – also im Logos, der sich gegen die Grundlosigkeit, Aussagen über Nichtseiendes zu machen, wendet. Die Rede bleibt also an die anfängliche Wegweisung gebunden, und folgt ihr, diese Weisung auslegend, da sie das Sein von Seiendem als Maß der Rechtheit der Suchrichtung des Denkens in den Blick nimmt, sich von Fehlmeinungen zu scheiden. Darum muß der zweite Teil, der sich mit den trügerischen Gedanken befaßt, darin Rechtes und Scheinbildnersiches gemischt sind, und wir uns auf einen Berichtigungsweg der Erkenntnis in Erfahrungen begeben müssen, nicht nur aus Gründen der praktsichen Weltorientierung des so Belehrten angefügt werden, sondern als das Feld des Gebrauchs der reinen, begründete Einsicht zu haben vermögendes Vernunft.

Lerne verstehen