Das Königliche als Leitbild der philosophischen Bildung


Zum Motiv der Königsherrschaft als philosophische Haltung in der Politeia

1.

Daß „die Philosophen Könige werden in den Staaten oder (bzw.?) die jetzt so genannten Könige und Machthaber (dynastai = dynastisch Herrschenden) wahrhaft und gründlich philosophieren“ (pol 473 c/d) ohne daß also „beides zusammenfällt“ es „keine Erholung von dem Übel für die Staaten“ und das ganze „menschliche Geschlecht“ geben wird, dies wird hier in der Politeia als eine Bedingung für die Bildung (politischen Verantwortungsbewußtseins und staatsführender Weisheit) in Anspruch genommen und begründet, ergibt selbst aber gerade keine bestimmte Staatsverfassung.

Was hier in der Mitte des V. Buches der Politei spruchhaft zu Begriff gebracht ist, wird in den folgenden Kapiteln bis zum Buch VII in dessen Themen: Erziehung als Umlenkung der Seele 518 c ff und die Bildung der Philosophen 519 c – 521, ausgeführt. Die Weisheit, die sich ohne philosophisches Lernen nicht bilden kann, gehört zum Begriff des Königtum: darum werden jene Machthaber, die nicht gründlich und wahrhaft philosophieren nur als Könige so genannt.

Die Weise der Herrschaft von ausgebildeten Philosophen in einem wahrhaft gerechten und guten Staat ist eine gründende und aus der Erkenntnis der Not und des Notwendigen an der Gemeinschaft teilhabende Weise, der sie zugleich in verschiedenen Vermögen und Verhaltensarten gegenübersteht und als gesetzgebend und beurteilend richtend oder wortreich leitend das je selbst vertritt, um was er in dessen Einheit und Bestand besorgt ist.   Wir haben es in den Bildungsanforderungen des als König in der Haltung des politisch Weisungsmächtigen Philosophierenden mit Grundlegungen und Maßgaben in der Findung des Angemessenen und der Entdeckung der darin unbedingt zur Geltung kommenden, als geltend anerkennbaren Kriterien zu tun. Die Grundlegungs- und Kriterienverantwortung der  Philosophen als Wächter macht sich in der Rede der Politeia zur Bestimmung ihrer Aufgabe (also der Bestimmung der Philosophen) im Bild des Königwerdens geltend, das den im Politeiadialog Sprechenden nicht wirklich zu eigen sein kann, denn sie treffen sich am Rande eines neu eingerichteten Göttinnenfestes im privaten Haus (mit Mitunterrednern wie Polemarchos, der unter der damaligen Herrschaft der dreißig Tyrannen hingerichtet worden ist).  Das wahre Königtum seinerseits kann (für und durch einen politikos, Staatsmann) gar nicht sein und erworben werden, als in und mit Liebe zur Weisheit, die jene Bildung von Weisheit leitet, die zum Begriff des Königs gehört. Darum spricht Sokrates von den „jetztigen Königen“ allesamt als sogenannt. Das wahrhaft Königliche kann ohne Weisheit gar nicht sein, die wiederum nur mit einer wahrhaft philosophischen Bildung sich bilden kann.

Bis zum Ende des Buchs VII führt der Politeia-Dialog den Einsichtsweg, was zur königlichen Bildung der Philosophen notwendig gehört, über verschiedene Wissenschaften zur Dialektik (531 d), die in sich schon sich von der „falschen Dialektik“ (einer bloßen Widerstreitkunst) zu unterscheiden weiß, mit der Erinnerung in 540d, daß solche Bildung für die in einem gerechten Staat gründend und leitend (also veranwortlich) Handelnden unabdingbar sei, zur Behandlung und Erkenntnis der Ungerechtigkeit, der gegenüber ja der verantwortlich Handelnde je nur das Gründen als ein Gerechtwerdenlassen durchführen, verwirklichen kann. Die Ungerechtigkeit tritt durch die verschiedenen, in sich der notwendigen Einheit und Einstimmung von Tatkraft und Besonnenheit in der Weisheit, von Weisheit in der Liebe zu ihr und der je tatkräftig entscheidenden Macht ...

in Erscheinung der vernommenen Not je mit falschen, verfehlten Begriffsbetimmungen von Gerechtigkeit. Diese  Begriffsbestimmungen können durchsprechend, durchdenkend als verfehlt = unhaltbar, als nicht verteidigbar dargelegt und einsichtig (im Finden der Berichtigung) werden, da sie je mit mehrern Bedingungsbestimmungen einhergehen, deren unvereinbarkeit Sokrates vorbildlich in den Widerlegungen des Gerechtigkeitsverständnisses von Trasymachos aufzeigt und so dem mitdenkenden Leser selbst ein Stück des Wegs zur philosophischen Bildung des fiktiven Königs mitgehen läßt.

Ohne die Beurteilung der Bestimmung der so in Anspruch genommenen Philosophen ist das durch die Einheit von Philosophen- und Königtum Maßgebliche für eine jede Staatsverfassung nicht zu verhandeln, nicht als Einrichtung zu beurteilen. Wer sich daran macht, Platons Staatsentwurf zu bedenken, wird unwillkürlich in die philosophische Bildung hineingezogen, auf ihren Weg gebracht. Mit den Bildern (der königlichen Philosophen als herrschende im Staat) wird einzig und vor allem die entscheidende Erkenntnis des in aller Staatsverantwortung Maßgeblichen zu erkennen gegeben (eröffnet) und zu erkennen verlangt, auf daß wir erst so in stand gesetzt sein können, selbst zu beurteilen, was gut und recht in Sachen des Staates ist, und worin seine Ungerechtigkeit und das Unüberwindlich Scheinende des Streits besteht. Darin teilt das Denken die Sorge und nimmt die Gerechtigkeit selbst als Maß in Haltungen gegenüber der Ungerechtigkeit an, ohne deren Kenntnis und das kritisch beurteilende Verhalten zu ihr wir  keinen Begriff der Gerechtigkeit hätten (Heraklit Frag.)

Wir halten fest: daß Philosophen Könige werden (was sie in Gedanken tun, sich an die Stelle versetztend, als wären sie machtvolle und in der Geschichte stehend Verantwortliche) und scheinbare Könige wahrhafte philosophisch Lernende begründet keine bestimmte Staatsverfassung, sondern wird in der Erkenntnis ihrer Bildungsbedingungen selbst zur Darstellung eines nur im Mitvollzug der philosophischen Bildung in Einsicht ihrer Bestimmungsbedingungen zur Annahme des Maßgeblichen, wie sie in jedem Staat muß als dessen Kriterium und Korrektiv einwohnen können, einen Ort finden und als gesellschaftlich geachtet seine regulative, rückbindende Funktion ausüben können. (Ungerechitkgeit und unstimmigkeit des Staates in seiner Verfassung an der Mißachtung und Verfolgung des der Gerechtigkeit und der Güte selbst verpflichteten Erkennens und Redens der Philosophen – als im Streit mit den „Redekünstlern“ verwickelt).

2. Ob „einer oder mehrere“ (540d) ?

Weder die auf eine Person Herrschaftsform im Staat (Tyrannis) noch die auf mehrere  (Oligarchie) ergeben als solche eine gerechte Staatsverfassung. Weder die tyrannische noch die ologarchische Form von herrschenden Philosophenkönigen wird durch die Politeia selbst gerechtfertigt: vielmehr gehören die in beiden Formen auftretenden Formen von Ungerechtigkeit und Widerstreit ausrücklich zur Aufgabenstellung der philosophisch gebildeten Königsverantwortung, sie zu verantworten und verantwortend zur Gerechtigkeit zu wenden.

oder:

Denn weder die auf eine Person bezogene Einheit von Philosoph und König noch auf ein Mehrheit von gemeinsam herrschenden „Philosophenkönigen“ [eine unsinnige Verdopplung, weil es nach Platon zum Begriff des Königs gehört, in seiner Gemeinschaftsverantwortung gut und gerecht zu sein – und dies vermag niemand ohne Weisheit, die sich gar nicht anders bilden kann als in der Liebe zu ihr] – wir durch die Politei selbst gerechtgertigt: weder die Tyrannis noch die Oligarchie können als Maß der als gut und gerecht zu achtenden Staatsverfassung gedacht werden (Entwurf der gerechten und guten Staatsverfassung immer als maßgeblich für alle je in die Verantwortung für Staatsgemeinschaft (und ihre Einstimmung) Tretenden (in Demokratie: alle Bürger) – Sie (die politeia als Entwurf) hat immer maßgebliche und orientierende Bedeutung in der Bildung von Herrschaftsverantwortung – Ausrichtung ihrer Bestimmung im Dienst – dient also der Würdigkeit (von Herrschenden wie Dienenden: von Herrschenden als Dienenden und so allein teilgebend den die­nend Folgenden (demos) an der Herrschaft – Gründung von Freiheit: demiourgos.

vielmehr sind diese Staatsverfassungsformen selbst Weisen der Krankheit im Staat, werden entsprechend ab Buch VIII in der Hinwendung zur Ungerechtigkeit abgehandelt.

wenn einer und viele – dann einer je die vielen repräsentierend zu deren Einheit, wie erst durch die Einheit der Eine Legitimität erhält – die Legitimation des Himmels ist durch die Wirkungen auf der Erde zu deren Befriedung und Einung bedingt.


Was mit dem erforderten Königtum der Philosophen und dem philosphischen Vermögen der Könige als Bedingung der guten und gerechten Staatsverfassung formuliert ist, stellt für sich genommen etwas dar (in Aussicht), das nur durch eine Art Reich Gottes (Reich der Himmel) oder / und die (seine) sittliche Gemeinschaft als das einander wie Könige Achten und in königlicher Güte / Hirte füreinander in Gemeinschaftsverantwortung eintretend (verantwortlich handelnd).

Dies schließt Vernunftbedingungen (als geachtet und achtend) ein (in das Sein als König, der zugleich jedem Geachtetwerden in seiner Würde vorgängig erscheint: als Achtungsgrund), wie sie maßgeblich die Wesensattribute des Göttlichkeit ausmachen (vgl.- göttlich die Philosophen) und so ist das Königtum der Philosophen nur mit der Entsprechung erfüllt, wie sie in Christus als König Gottes Ebenbild und Vorbild zur Gottesentsprechung eben in der Gabe zur gleichender Teilhabe sich uns darstellt – zu erkennen gibt und (die Nachfolge zur Entsprechung – wie ...) aufgibt.

Aufnahme des Königstums Gottes (aus AT) durch NT: in der Wirkung durch das Ohnmächtige, Niedrige – das aber zu erkennen gibt.